Mittendrin im medialen Umbruch

Wie wirkt sich das Smartphone auf das Eltern-Kind-Verhältnis aus“: Dieser Frage ging Prof. Dr. Jutta Wiesemann von der Universität Siegen beim „Forum Gesundheit“ im Diakonie Klinikum Jung-Stilling nach.

„Siegener Forum Gesundheit“

Smartphone-Nutzung in Familien stand  im Fokus

Siegen. Ein kleiner Junge, vielleicht drei Jahre alt, liegt auf dem Bauch und betrachtet gebannt den Bildschirm eines Smartphones. Bunte Bilder sind darauf zu sehen. Ein Auto jagt durch eine virtuelle Straße. Die Szene wechselt. Jetzt ist der Papa mit dabei. Das Kind auf dem Schoß, wird zusammen eine Porträtaufnahme – ein so genanntes Selfie – mit dem mobilen Gerät gemacht. Das Kind gluckst – und greift instinktiv nach dem Handy. Sequenzen wie diese sind es, die die Siegener Universitätsprofessorin Dr. Jutta Wiesemann und ihr Team untersuchen. An der Langzeitstudie „Frühe Kindheit und Smartphone. Familiäre Interaktionsordnung, Lernprozesse und Kooperation“ sind Anthropologen, Ethnologen, Soziologen, Erziehungswissenschaftler, Dokumentarfilmer und Medienpädagogen beteiligt. Erste Ergebnisse wurden beim „Siegener Forum Gesundheit“, organisiert von der Selbsthilfekontaktstelle der Diakonie in Südwestfalen, in der Cafeteria des Ev. Jung-Stilling-Krankenhauses vorgestellt.

Prof. Dr. Jutta Wiesemann

Die Gefahren und Risiken, die die Zeiten eines medialen Umbruchs mit sich bringen, ließ Prof. Dr. Wiesemann bewusst außen vor. „Wir müssen uns klar darüber sein, dass Smartphone und Tablet nicht mehr verschwinden werden. Also forschen wir am Ist-Zustand, wie sich die Nutzung auf das Eltern-Kind-Verhältnis auswirkt“, stellte die Wissenschaftlerin eingangs klar. 20 Familien werden dabei im Rahmen der Forschung begleitet, einige von ihnen aus Siegen, weitere Probanden leben in Indien, Marokko oder Syrien. Über mindestens acht Jahre lang werden sie vom Universitätsteam gefilmt, interviewt und dabei beobachtet, wie das Smartphone in den Familienalltag integriert wird. „Wir sehen dabei die neue Technik nicht als Bedrohung an, sondern erforschen, wie sich der Zugang zur Welt durch das Medium verändert“, erklärte Prof. Dr. Wiesemann den rund 30 Gästen.

Es sei nichts Neues, dass moderne Medien als „gefährlich“ eingestuft würden. Um diese These zu stützen, ging die Wissenschaftlerin viele Jahrhunderte in der Geschichte zurück. Als der Buchdruck entstand, wurde das Lesen zunächst als „verderblich für Frauen und Kinder“ eingeschätzt. Die gesundheitlichen Schäden, so einige Experten der damaligen Zeit, seien mit denen des Opiums vergleichbar, da „der Verstand umnebelt“ werde. Um das Jahr 1780 wurden weitere Stimmen laut, dass durch das Lesen die „körperliche Ertüchtigung“ vernachlässigt werde.

Auch in der heutigen Zeit werde kritisiert, dass Kinder und Jugendliche zu viel Zeit in der virtuellen Welt verbringen, anstatt mit ihren Freunden im Freien zu spielen. „Das Smartphone macht uns Angst, da es nichts mit unserem harmonischen Kinderbild zu tun hat“, so Prof. Dr. Wiesemann. Aber: „Ein Kind, dass sich bewegen will, tut das auch. Ob mit Smartphone zuhause oder nicht.“ Deshalb seien die Eltern in der Pflicht: Wie gehe ich selbst mit dem Gerät um? Welche medialen Regeln setze ich innerhalb der Familie? Diese Fragen gelte es, gemeinsam mit den Kindern zu beantworten. Wichtig, so Prof. Dr. Wiesemann sei es, das Smartphone als Bestandteil der Welt der Kinder zu sehen: „Wir nehmen ansonsten die neuen Lebensumstände nicht ernst.“

Der „völlig andere Blickwinkel“ auf die medialen Veränderungen kam bei den Zuhörern gut an. Dennoch wurden auch Ängste laut: „Viele Kinder werden einfach am Smartphone ,geparkt` und sehen darauf Dinge, die nicht für Kinderaugen bestimmt sind“, brachte sich eine Teilnehmerin ein. „Extremsituationen gibt es leider immer wieder“, so Prof. Dr. Wiesemann. Das sei allerdings auch schon in den 1980er-Jahren großes Thema gewesen. Damals, als das Privat-Fernsehen auf den Markt drängte – und bis heute blieb.

Check Also

Gefahr Lichterketten und Kinderspielzeug

Vorsicht in der Weihnachtszeit: Viele Produkte zum Schmücken und Verschenken enthalten für Kleinkinder gefährliche Knopfzellen.