Die Kaisergeburt

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Eric Maximilian Kaiser ist nur alle paar Minuten zu hören. Leise stöhnt er dann genussvoll, krallt seine kleinen Fäuste zusammen bevor er wieder sacht entschlummert. Fünf Tage ist er jetzt alt. Bei seiner Geburt wog er über 4.100 Gramm und war bereits 57 Zentimeter groß. „Das war ein ganz schöner Brummer“, erinnert sich Mutter Oxana Kaiser. Sie muss es wissen. Sie war trotz eines Kaiserschnitts die erste, die den neuen Erdenbürger in der Hand hielt. Möglich wurde das durch ein neues Verfahren, dass deutschlandweit zum ersten Mal in einer geburtshilflichen Klinik angewandt wurde: Der mütterlich assistierte Kaiserschnitt.

„Ich stand dieser Methode anfänglich sehr skeptisch gegenüber“, gesteht Dr. Manfred Schmitt, Chefarzt der Klinik für Frauenheilkunde und Geburtshilfe im Krankenhaus Bad Oeynhausen. Er hatte Anfang des Jahres aus den Medien erfahren, dass ein Kollege aus Australien einen mütterlich assistierten Kaiserschnitt durchgeführt hatte. „Wir haben das im Kollegenkreis und mit unseren Hebammen einfach mal fachlich diskutiert und fanden außer einem gewissen unbehaglichen Gefühl keine nachhaltigen Gründe für unsere Skepsis.“ Hinzu kam die Erfahrung des gesamten geburtshilflichen Teams, dass Frauen nach ihrer Entbindung per Kaiserschnitt immer wieder von einem Gefühl des Ausgeliefertseins berichteten. „Besonders stark ist dieses Gefühl bei Frauen, die unter Vollnarkose entbinden“, ergänzt Irina Wittemeier. Sie ist Beleghebamme im Krankenhaus Bad Oeynhausen. „Sie werden nach dem Eingriff wach und haben plötzlich ein Kind. Den ganzen Vorgang, wie das Kind auf die Welt kommt, haben Sie nicht miterlebt. Viele Frauen empfinden das als belastend.“

Genauso war es auch bei Oxana Kaiser aus Minden gewesen. Ihr erstes Kind hatte sie per Kaiserschnitt entbunden. Ihre Kinder zwei bis vier waren spontan, auf natürlichem Weg, zur Welt gekommen. Sie kennt also den Unterschied. „Nach der Geburt meiner ältesten Tochter hatte ich zunächst immer einen kleinen Zweifel, ob das wirklich mein Kind ist. Bei meinen anderen Kindern hatte ich dieses sehr unangenehme Gefühl nicht.“ Aufgrund einer Begleiterkrankung war klar: Das fünfte Kind wird Oxana Kaiser wieder per Kaiserschnitt zur Welt bringen. Als sie mit ihrer Hebamme, Irina Wittemeier, darüber sprach und auch die neue australische Entbindungsmethode zum Thema wurde, war schnell klar, diese Geburtsmethode könnte das Richtige sein. Aus einer Idee wurde langsam ein immer konkreteres Vorhaben.

 

 

Sicherheit für Mutter und Kind
„Für uns steht und stand die Sicherheit von Mutter und Kind an oberster Stelle“, erklärt Chefarzt Schmitt. „Und so sind wir mit unseren Kollegen aus dem Institut für Anästhesie und Intensivmedizin und aus dem Operationsdienst durchgegangenen, was wir ändern müssten, damit ein mütterlich assistierter Kaiserschnitt möglich ist.“ Am Ende war es gar nicht so viel. Die Arme der Patientin mussten weitgehend frei bleiben von Infusionskanülen und Messinstrumenten. Diese konnten einfach weiter am Oberarm angebracht werden. Ganz wichtig war, dass die Keimfreiheit der Hände der werdenden Mutter gewährleistet war. „Für das Kind ist das kein Problem. Wir mussten aber sicherstellen, dass die Mutter sich nicht selber gefährdet. Bei einem Kaiserschnitt handelt es sich um eine große Operationswunde, die natürlich unter allen Umständen vor möglichen Infektionserregern geschützt werden muss.“ Durch das Anziehen von OP-Handschuhen und einer Abdeckung der Arme war aber auch hier die nötige Sicherheit gewährleistet. Am Ende des sehr sorgfältigen Planungsprozesses stand die Entscheidung der Patientin und des geburtshilfliches Teams fest: „Wir machen es!“ Um 8.00 Uhr morgens begann der geplante Eingriff, acht Tage vor dem errechneten Geburtstermin. Oxana Kaiser bekam eine rückenmarksnahe Narkose, die es ihr erlaubte, den Oberkörper und vor allem die Arme zu bewegen. Wie zuvor detailliert abgestimmt, lief ansonsten die Routinevorbereitung auf eine Kaiserschnitt-Operation. „Das ging alles sehr schnell“, erinnert sich Alexander Kaiser wenige Tage nach der Geburt seines Sohnes. „Kaum waren wir im OP, war Eric Maximilian auch schon da.“ Tatsächlich dauerte es nur etwa eine halbe Stunde bis der kleine Kaiser auf der Welt war. Chefarzt Schmitt und sein Team führten die Operation wie üblich durch. Nur statt den Säugling komplett aus dem Bauchraum der Mutter zu heben, präparierte der erfahrene Geburtshelfer das Kind frei und zog es ein Stück hervor. Dann wurde das OP-Tuch, dass bis hierhin Mutter Oxana Kaiser vom OP-Geschehen abgeschirmt hatte, heruntergenommen. Jetzt konnte sie assistiert vom Chefarzt, ihre Hände um ihr Kind legen und es selber komplett auf diese Welt holen und sich auf die Brust legen. „Für mich hat sich das fast angefühlt wie eine normale Geburt“, erinnert sich Oxana Kaiser wenige Tage später. „Ich war einfach nur glücklich in diesem Moment.“ Während Vater und Sohn gemeinsam beim so genannten „Bonding“ miteinander kuschelten, kümmerten sich die Geburtshelfer weiter um die Versorgung der Mutter.

Das zarte Schnorcheln geht langsam in ein etwas bestimmteres Quäken über. „Ich denke, er hat Hunger“, sagt Oxana Kaiser schmunzelnd während der Nachbesprechung, als ihr Sohn sich heftiger zu Wort meldet. „Ich bin sehr zufrieden wie alles gelaufen ist. Sollte ich noch einmal ein Kind per Kaiserschnitt entbinden müssen, ich würde es wieder so machen.“ Und auch Chefarzt Manfred Schmitt ist sehr zufrieden mit dem Verlauf. „Mutter und Kind geht es hervorragend, das ist das Wichtigste. Wenn es von der Diagnose und vom Elternpaar her passt, ist der mütterlich assistierte Kaiserschnitt eine alternative Geburtsform, die wir sicherlich noch mehrfach anwenden werden.

Quelle/Foto:
Mühlenkreiskliniken (AöR)

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