Antibakterielles Nahtmaterial kann Komplikationen kaum verringern

Chirugen im OP

Wundinfektionen, die nach offenen Bauchoperationen bei bis zu 16 Prozent aller Patienten auftreten, können durch ein spezielles antibakterielles Nahtmaterial nicht signifikant verringert werden. Zu diesem Fazit kommt eine große, vom Studienzentrum der Deutschen Gesellschaft für Chirurgie (SDGC) durchgeführte Multicenter Studie, deren Ergebnisse vor Kurzem in der internationalen Fachzeitschrift „The Lancet“ veröffentlicht wurden. Die Untersuchung zeigt zudem, dass Patienten mit ausgedehnteren Operationen ein erhöhtes Risiko haben, eine Wundinfektion zu erleiden. Zur Risikogruppe gehören auch Operierte mit bösartigen Tumoren, Niereninsuffizienz oder Blutarmut sowie Patienten mit Übergewicht. Die Studie ergab aber auch, dass die vorsorgliche Gabe von Antibiotika direkt vor der OP und die Erfahrung des Chirurgen mit entsprechenden manuellen Fertigkeiten postoperative Wundinfektionen positiv beeinflussen können.

„Der Erfolg einer Operation ist in der Bauchchirurgie auch mit dem Wundverschluss verbunden, da Komplikationen im Bereich des Bauchschnittes schwerwiegende und langfristige Folgen für die Patienten haben können“, erläutert Professor Dr. med. Markus Büchler vom Universitätsklinikum Heidelberg. „Die Fäden müssen die Wundränder so lange zusammenhalten, bis sich eine zugfeste Narbe gebildet hat, andernfalls kann es zu Narbenbrüchen kommen, die eine zweite Operation notwendig machen“, fügt der Direktor der Klinik für Allgemein-, Viszeral- und Transplantationschirurgie hinzu.

Viele Bauchchirurgen verwenden laut Büchler heute für den Verschluss der Bauchdecke einen fortlaufenden Faden, der erst nach mehreren Monaten vom Körper abgebaut wird. Ein Beispiel hierfür ist Polydioxanon, das seit vielen Jahren verwendet wird. Das von außen eingebrachte Nahtmaterial birgt aber auch ein Risiko: Der Faden kann zu einem Nährboden für Bakterien werden und damit schwere Infektionen der Wunde und im Bauchraum auslösen.

Das im Jahr 2009 eingeführte Nahtmaterial PDS Plus sollte dieses Problem lösen. Der Faden ist hier mit Triclosan beschichtet, ein in der Medizin häufig eingesetzter Bakterien-Hemmer. „Der Ansatz war biologisch plausibel“, so Markus Büchler. „Doch ein klarer wissenschaftlicher Beleg für den Vorteil von PDS Plus in der klinischen Anwendung lag bei der Einführung nicht vor.“ Die Deutsche Gesellschaft für Chirurgie (DGCH) hat daher am SDGC die PROUD-Studie („Prevention of abdominal wound infection“) initiiert. Daran nahmen zwischen April 2010 und Oktober 2012 an 24 Kliniken insgesamt 1224 Patienten teil, bei denen eine Operation mit Eröffnung der Bauchwand mittels eines Längsschnittes geplant war.

Die Studie war ein randomisierter Vergleich, der feststellen sollte, wie häufig chirurgische Wundinfekte bei dem durch eine zufällige Zuteilung verwendeten herkömmlichen Nahtmaterial PDS II oder dem mit Triclosan beschichteten PDS Plus vorkommen. Da sich beide Fäden äußerlich nicht unterscheiden, konnte die Studie „doppelblind“ durchgeführt werden. Patient und Chirurg erfuhren nicht, welcher Faden bei der Operation verwendet wurde.

Die Auswertung ergab, dass das beschichtete Nahtmaterial die Rate der Wundinfektionen kaum senken konnte. Eine Wundinfektion trat in der PDS Plus-Gruppe bei 14,8 Prozent der Patienten auf gegenüber 16,1 Prozent bei Verwendung von PDS II. „Der Unterschied von 1,3 Prozentpunkten war statistisch nicht signifikant“, so PD Dr. Markus Diener vom SDGC, der die Untersuchung geleitet hat.

Für den Experten zeigt die Studie zudem, dass der Nutzen neuer Operations-techniken, Materialien und Strategien in hochwertigen Studien überprüft werden sollte. Dies führe zum einen zu objektivierbaren klinischen Ergebnissen, zum anderen möglicherweise auch zur Senkung unnötiger Kosten im Gesundheits-wesen. „Es ist der falsche Ansatz, wenn neue Materialien auf den Markt gebracht werden, ohne dass ihre Vorteile vorher in Studien belegt wurden“, betont auch Professor Dr. med. Dr. h.c. Hans-Joachim Meyer, Generalsekretär der DGCH. Die PROUD-Studie habe außerdem gezeigt, dass eine solche Prüfung innerhalb eines vertretbaren Zeitraums durchgeführt werden kann, meint Meyer.

Wundinfektionen können bei offenen Bauchoperationen vor allem dann vorkommen, wenn beim Eingriff der Darm eröffnet werden muss, der zahlreiche Keime enthält. „Das Risiko erhöht sich zudem, wenn wir Risikopatienten wie Übergewichtige oder Patienten mit schweren Begleiterkrankungen operieren“, so Diener. „Antibakterielles Nahtmaterial ist jedoch nur ein Puzzlestein in unserem Paket aus umfangreichen Vorbeugemaßnahmen einer Wundinfektion. Wir müssen unser Augenmerk nun verstärkt auf weitere schützende Maßnahmen im Rahmen des operativen Eingriffes richten“, betont der Studienleiter.

Quellen: Deutschen Gesellschaft für Chirurgie (SDGC)
Diener MK, Knebel P, Kieser M, Schüler P, Schiergens TS, Atanassov V, Neudecker J, Stein E, Thielemann H, Kunz R, von Frankenberg M, Schernikau U, Bunse J, Jansen-Winkeln B, Partecke LI, Prechtl G, Pochhammer J, Bouchard R, Hodina R, Beckurts KT, Leißner L, Lemmens HP, Kallinowski F, Thomusch O, Seehofer D, Simon T, Hyhlik-Dürr A, Seiler CM, Hackert T, Reissfelder C, Hennig R, Doerr-Harim C, Klose C, Ulrich A, Büchler MW. Effectiveness of triclosan-coated PDS Plus versus uncoated PDS II sutures for prevention of surgical site infection after abdominal wall closure: the randomised controlled PROUD trial.

 

Symbolbild: Fotolia

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