Parkinson: Hoffnung auf Therapien durch Früherkennung

Für die therapeutische Wissenschaft ist es durchaus ein wesentliches Ziel, Parkinson möglichst früh zu erkennen. Denn heute wird die Diagnose der Krankheit erst dann gestellt, wenn die typischen Bewegungsstörungen offenkundig werden – die Verlangsamung, das Zittern (Tremor), die Muskelsteifigkeit (Rigor) und im Verlauf eine Unsicherheit beim Stehen und Gehen mit der Gefahr, zu stürzen. Zu diesem Zeitpunkt sind aber mehr als die Hälfte der dopaminergen Nervenzellen des Gehirns, die die Bewegungskontrolle beeinflussen, bereits abgestorben. Sollte es jedoch gelingen, neuroprotektive Therapieverfahren gegen den Tod dieser Nervenzellen im Labor zu identifizieren – und hieran wird unter anderem intensiv geforscht –, dürften diese umso wirksamer sein, je früher sie eingesetzt werden können.

Die Idee der Forschung lautet also: Wird die Entwicklung der Krankheit bereits vor ihrer Manifestation erkannt, könnte man früher eingreifen, die Gehirnzellen retten und so eines Tages die chronische und fortschreitende Erkrankung vielleicht sogar verhindern oder aufhalten.

Erst kürzlich hat Anette Schrag vom University College London an einer außerordentlich hohen Anzahl Patienten bestätigt, dass eine Reihe klinischer Symptome bereits viele Jahre vor der Diagnose auf die spätere Parkinson-Erkrankung hindeuten. Ihr Team hat dazu Hausarzt-Aufzeichnungen von mehr als 50.000 Briten nach möglichen frühen Parkinson-Symptomen ausgewertet. Die Forscher identifizierten in einer großen Datenbank 8166 Personen über 50 Jahre, bei denen zwischen 1996 und 2012 die Parkinson-Krankheit diagnostiziert worden war, und stellten diesen zum Vergleich 46.755 gesunde Personen gegenüber. Auf der Suche nach Krankheitszeichen, die bis zu zehn Jahren vor der Parkinson-Diagnose unter den Patienten gehäuft auftraten, erfassten die Forscher die typischen Bewegungsauffälligkeiten, aber auch Funktionsstörungen des autonomen Nervensystems und neuropsychiatrische Störungen. Die retrospektive Analyse ergab: Bereits zehn Jahre vor der Diagnose hatten die späteren Parkinson-Patienten eine nahezu achtfach erhöhte Wahrscheinlichkeit für einen Tremor (Zittern) und doppelt so häufig Verstopfungen im Vergleich zur Kontrollgruppe. Fünf Jahre vor der Diagnose war ein Tremor unter späteren Parkinson-Patienten fast 14-mal so häufig festgestellt worden, niedriger Blutdruck etwa dreimal, und auch Balancestörungen, Schwindel und Harnentleerungsstörungen waren mehr als doppelt so häufig wie in der Vergleichsgruppe. Die späteren Parkinson-Patienten hatten zudem etwas häufiger Depressionen, Fatigue (chronische Müdigkeit), Angst- und Erektionsstörungen.

In Deutschland sind bereits zahlreiche Studien zur Früherkennung von Parkinson durchgeführt worden und noch im Gange. So kann ein einfacher Riechtest bereits wichtige Hinweise auf eine beginnende Parkinson-Erkrankung geben kann. Auch Untersuchungen von Menschen mit REM-Schlaf-Verhaltensstörungen (RBD, Rapid eye movement sleep behaviour disorder). Die Betroffenen setzen ihre – meist aggressiven – Trauminhalte in starke Bewegung während des Schlafs um. Bei gesunden Menschen ist die Motorik in der Traumschlafphase dagegen gehemmt. Wer an dieser speziellen Schlaf-Traum-Störung leidet, wird nach derzeitigem Kenntnisstand mit bis zu 85-prozentiger Wahrscheinlichkeit binnen 15 bis 20 Jahren an Parkinson erkranken.

Gleichzeitig wird weltweit an therapeutischen Möglichkeiten geforscht, um den Verlauf der Krankheit zu bessern und Nervenzellen zu schützen. Die Symptome können zunehmend gut behandelt werden, etwa durch Medikamente, die das fehlende Dopamin im Gehirn ersetzen, und Hirnschrittmacher. So kann man heute viele Jahre, zum Teil Jahrzehnte, mit Parkinson leben. Auch konservative Maßnahmen wie Gehirntraining und Bewegungstherapie spielen nachweislich eine wichtige Rolle, um den Verlauf der Erkrankung zu beeinflussen. Ziel der Bewegungstherapie ist neben der motorischen Aktivität auch, das Gehirn durch die soziale Komponente, etwa beim Tanzen, zu aktivieren. Die Betroffenen können demnach auch selbst einiges tun, um den Verlauf der Erkrankung positiv zu beeinflussen.

Text: DGN / überarbeitet von Christian Kreuzberg
Foto: © Sandor Kacso – Fotolia.com

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