Praxisteams fordern Respekt und Rücksichtnahme

Viele Bürgerinnen und Bürger haben die Sommermonate wie eine Verschnaufpause von der weltweiten Corona-Pandemie wahrgenommen: Man konnte mehr Zeit draußen verbringen, sich mit Familie und Freunden in Parks treffen, seinen Kaffee auf der Terrasse vor dem Lieblingscafé trinken. Alles wirkte fast normal – und war es doch nicht.

Dass die Corona-Infektionszahlen in der kühleren Jahreszeit nun wieder ansteigen, ist keine Überraschung. Es führt jedoch unweigerlich dazu, dass Anspannung und Sorgen in der Bevölkerung wieder zunehmen. Genau dann sind die Praxen der niedergelassenen Ärztinnen und Ärzte für viele Bürgerinnen und Bürger die ersten Ansprechpartner bei Fragen wie „Bin ich nur erkältet oder ist es vielleicht doch das Coronavirus?“, „Wie kann ich mich testen lassen?“ oder auch „Wie bekomme ich eine Schutzimpfung gegen Grippe oder Pneumokokken?“.

„Die Medizinischen Fachangestellten stehen hier an vorderster Front. Sie organisieren, koordinieren, erklären. Sie halten den Praxisbetrieb am Laufen in einer Zeit, in der sich die gesetzlichen Vorgaben nahezu wöchentlich ändern. Leider sind es vor allem diese engagierten Praxisteams, die den Frust vieler Bürgerinnen und Bürger über die aktuelle Situation ungefiltert zu spüren bekommen. Sie sind tagtäglich der Kritik und den Vorwürfen von unzufriedenen Patientinnen und Patienten ausgesetzt, weil beispielsweise die Telefonleitung besetzt ist oder weil es keinen Wunsch-Coronatest gibt“, erklärt Dr. Dirk Spelmeyer, Vorstandsvorsitzender der Kassenärztlichen Vereinigung Westfalen-Lippe (KVWL).

Auch Hannelore König, Präsidentin des Verbandes medizinischer Fachberufe e.V., bestätigt, dass das Verhalten gegenüber den Medizinischen Fachangestellten (MFA) im Moment in vielen Praxen immer fordernder und aggressiver wird: „Die Entwicklungen sind dynamisch und erfordern schnelles, flexibles Handeln, das ist allen bewusst. Aber die Mitarbeitenden in den Praxen sind keine Maschinen, neue Regeln können nicht auf Knopfdruck umgesetzt werden. Genauso liegt es nicht in unserer Verantwortung, wenn es Lieferengpässe bei Impfstoffen gibt. Dass Patientinnen und Patienten ihren Frust an meinen Kolleginnen und Kollegen auslassen, ist deshalb nicht nur ungerechtfertigt, es sorgt dafür, dass die ohnehin hohe psychische Belastung noch zusätzlich verstärkt wird. Viele Medizinische Fachangestellte sind mittlerweile am Limit.“

Neben dem hohen Arbeitspensum, dem hektischen Alltag und den Auseinandersetzungen mit den Patientinnen und Patienten belastet auch das erhöhte Infektionsrisiko. „Mittlerweile dürfen die MFA einmal wöchentlich mit einem sogenannten Corona-Antigenschnelltest getestet werden, der PCR-Test bleibt uns aber verwehrt, wenn wir keine Symptome haben. Natürlich fragen sich da viele meiner Kolleginnen und Kollegen: Sind wir weniger wert als andere Menschen? Wir sind für die Patientinnen und Patienten häufig die ersten Ansprechpartnerinnen und möchten von der Politik gleichwertig behandelt werden!“

Auch KVWL-Vorstandsvorsitzender Spelmeyer spricht sich für mehr Wertschätzung gegenüber den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in den Praxen aus. Spelmeyer und König appellieren daher an die Bevölkerung: „Für uns alle ist diese Pandemie eine schwierige Zeit, die uns viel Kraft kostet. Das gilt für die Menschen vor, aber natürlich auch hinter der Empfangstheke in den Arztpraxen. Unsere Ärztinnen und Ärzte sowie Praxisteams sorgen dafür, dass die ambulante Versorgung auch unter Pandemie-Bedingungen sehr gut und verlässlich funktioniert. Nicht immer kann alles reibungslos laufen, das ist klar. Aber anstelle von Frustration,
Angst und Aggression sind Verständnis, Umsicht und Rücksichtnahme die Gebote der Stunde. Wir werden diesen ersten Herbst und Winter mit dem Coronavirus bewältigen, aber das geht nur, wenn wir wertschätzend miteinander umgehen“.

Pressemeldung:
Kassenärztliche Vereinigung Westfalen-Lippe
Symbolbild: Pixabay

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