Mehr als nur schlechte Stimmung

Depressionen

Rund vier Millionen Deutsche leiden nach Erkenntnissen von Medizinern unter Depressionen. „Allein in Hamburg dürften es etwa 90.000 sein“, schätzt Priv.-Doz. Dr. Matthias Nagel, Chefarzt der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie in der Asklepios Klinik Nord – Wandsbek. Doch oft bleibt die Krankheit unerkannt: Nach statistischen Erhebungen werden nur 30 bis 35 Prozent aller Fälle richtig diagnostiziert, obwohl 60 bis 70 Prozent der Erkrankten in hausärztlicher Behandlung sind. Nur eine Minderheit der Betroffenen wird also optimal behandelt. Wie erkennt man aber, ob man selbst unter Depressionen leidet oder ob Angehörige betroffen sind?

Dr. Nagel betont, dass Depression viel mehr bedeutet, als nur „schlechte Stimmung“. Die Symptome reichten von einer deutlichen Interessenlosigkeit – auch gegenüber vorher noch geschätzten Dingen – über Appetitverlust und Schlafstörungen bis zu Störungen der Psychomotorik. „Für wesentliche Handlungen fehlt die Energie, und das Leben in Beruf und Ausbildung, in der Partnerschaft und der Familie sowie in der Freizeit ist beeinträchtigt“, sagt Priv.-Doz. Dr. Nagel. Stattdessen würden sowohl die eigene Person als auch die Umwelt und die gesamte Zukunft nur noch schwarz gesehen. „Um eine schwere depressive Störung zu diagnostizieren, müssen mindestens fünf der typischen Symptome über zwei Wochen bestehen“, so Priv.-Doz. Dr. Nagel.

Wird die Erkrankung erkannt, kann die Depression in der Regel gut behandelt werden. Als geeignete Verfahren gelten laut Priv.-Doz. Dr. Nagel vor allem die psychotherapeutische Behandlung, die Verordnung von Antidepressiva, aber auch spezifische Psychotherapien sowie Wach- und Lichttherapie. Wichtig sei die rechtzeitige Erkennung und Therapie: „Eine Depression ist eine potenziell lebensbedrohliche Krankheit, etwa zehn Prozent der schwer depressiven Patienten sterben durch Suizid,“ warnt Priv.-Doz. Dr. Nagel. Eine entsprechende Aufmerksamkeit und das Aufsuchen eines Arztes könne Leben retten.

Sind psychische Erkrankungen vererbbar?

Wenn ein Familienmitglied psychisch krank ist oder war, ist dann die Wahrscheinlichkeit, selbst zu erkranken, deutlich höher? Eine Frage, die sich viele Angehörige stellen. Auch Betroffene selbst sind oft unsicher, ob sie ihr Leiden an die Kinder weitergegeben haben. Doch stimmt das? Zwar gibt es zahlreiche wissenschaftliche Untersuchungen, an denen man einschätzen kann, wie hoch das Risiko ist, an einer bestimmten Erkrankung zu leiden, wenn ein oder sogar beide Elternteile von dieser Krankheit betroffen sind. Doch Professor Dr. Claas-Hinrich Lammers, Ärztlicher Direktor der Klinik Nord-Ochsenzoll und Chefarzt der Klinik für Affektive Erkrankungen sowie der Klinik für Akutpsychiatrie/Psychosen, betont: „Schwere psychische Erkrankungen wie z.B. die Schizophrenie, die Depression und die Bipolare Störung haben nicht nur eine psychische, sondern auch eine biologische Seite.“

Die Psyche sei nämlich vom Gehirn abhängig, „und das Gehirn als biologisches Organ kann genauso erkranken wie unser Herz, unsere Leber und alle anderen Organe,“ so Prof. Lammers. „Da der Aufbau dieser Organe von den Genen gesteuert wird, ist es nachvollziehbar, dass Fehlfunktionen der Organe – also Krankheiten – vererbt werden.“ Dennoch gilt: Psychische Erkrankungen treten immer nur im Wechselspiel von genetischen Einflüssen und Umwelteinflüssen auf. Bei der Depression zum Beispiel könne eine Kombination aus seelischen Belastungen, dem damit einhergehenden Stress und einer genetischen Komponente zu der Erkrankung führen, erklärt Prof. Lammers. Dass es nicht nur den Genen liegen kann, zeigen ebenfalls Statistiken: Etwa 80 Prozent der schizophrenen Patientinnen und Patienten leiden an dieser Krankheit, ohne dass eine Verwandte oder ein Verwandter diese Erkrankung je gehabt hat.

Essstörungen

Ob Magersucht, Ess-Brech-Sucht (Bulimie) oder das sogenannte Binge Eating – Essstörungen gehören zu den folgenreichsten psychosomatischen Erkrankungen. „Zwar deutet nicht jedes ungewöhnliche Essverhalten gleich auf eine Störung hin“, sagt Dr. Helge Fehrs, Oberarzt der Abteilung für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie im Asklepios Westklinikum Hamburg, „doch wenn der Körper zum Austragungsort für unbewältigte psychische Probleme wird und sich das in extremen Essgewohnheiten äußert, ist eine therapeutische Behandlung zwingend notwendig.“

Während sich Magersüchtige rigide kontrollieren müssten, wechselten sich bei Menschen mit Bulimie Kontrolle und Kontrollverlust rasch ab. Dagegen mangele es Menschen mit Binge-Eating- Störung an Mechanismen, die Nahrungsaufnahme zu regulieren, erklärt Dr. Fehrs; Essen diene ihnen als Beruhigung oder Trost und werde daher exzessiv betrieben. Die Folgen sind fatal: Magersüchtige – genau wie bei Bulimie sind hier weitaus mehr Frauen als Männer betroffen – leiden unter anderem unter zu niedrigem Blutdruck, Schwindel, Hormonstörungen und Krampfanfällen. Bulimie führt laut Dr. Fehrs zu ähnlichen Schäden, während Betroffene der Binge-Eating-Störung an Übergewicht litten – mit den bekannten Gefahren, vor allem für Herz und Kreislauf. An Binge Eating erkranken mehr Männer als Frauen.

„Doch ganz gleich, um welche Essstörung es geht – wichtig ist, dass die oder der Betroffene sich eingesteht, krank zu sein. Und er oder sie muss bereit sein, sich helfen zu lassen“, sagt Dr. Fehrs. Ziel jeder Therapie müsse es dann sein, nach dem oft verdeckten psychischen Leiden zu suchen und es zu lindern. Gleichzeitig werde aber auch ein normales Essverhalten eingeübt, um Rückfällen vorzubeugen.

Diagnose Krebs – lernen, mit der Angst umzugehen

Diagnose Krebs: Ein Schock für jede Betroffene und jeden Betroffenen. Etwa 40 bis 50 Prozent der Patientinnen und Patienten sowie 25 Prozent der Angehörigen entwickeln im Laufe der Krebserkrankung behandlungsbedürftige psychische Belastungen. Psychoonkologen helfen, mit der Diagnose Krebs umgehen zu können, die Krise zu meistern und für das Unfassbare Worte zu finden. Dr. Anne Piening-Lemberg, ärztliche Leiterin des Medizinischen Versorgungszentrums (MVZ) Onkologie und Psychotherapie in Hamburg-Barmbek, weiß, dass die meisten Krebspatientinnen und -patienten Angst davor haben, dass die Krankheit fortschreitet, sich ausbreitet: „Ich erlebt immer wieder Betroffene, die schon Wochen vor dem nächsten Nachsorgetermin massive Angst, Unruhe, Schlafstörungen und Konzentrationsstörungen haben.“ In solchen Fällen könne ein Psychoonkologe den Patientinnen und Patienten helfen, mit ihrer Angst anders umzugehen. Zusätzlich, so die Ärztin, würden auch die Freunde und Verwandten – die durch die Krebskrankheit ihres Angehörigen oft ebenso stark belastet sind – beraten und psychotherapeutisch begleitet.

Die Psychoonkologie ist ein Spezialgebiet psychotherapeutischer Beratung und Behandlung. Sie befasst sich mit den psychischen, sozialen und somatischen Aspekten einer Krebserkrankung. Psychoonkologen arbeiten in zertifizierten Tumorzentren, in Kliniken, in Rehabilitationskliniken, in ambulanten Beratungsstellen oder auch in Psychotherapiepraxen. Dr. Anne Piening-Lemberg: „In der Hanseatischen Nachtvorlesung ‚Was macht eigentlich ein Psychoonkologe?‘ möchte ich einen Überblick über das spannende Fachgebiet der Psychoonkologie geben – und vor allem die Arbeit meines Teams in der Asklepios Klinik Barmbek und im MVZ Onkologie und Psychotherapie anhand von Fallbeispielen vorstellen.“

 
Quelle:
Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie in der Asklepios Klinik Nord – Wandsbek

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