Diabetes – Die schleichende Erkrankung

Diabetes

Deutschland ist europäischer Spitzenreiter bei Diabetes-Erkrankungen, dennoch glauben die meisten Deutschen, die Zuckerkrankheit gehe sie nichts an. Ein fataler Irrtum: Etwa drei Millionen Menschen leiden hierzulande an Diabetes und wissen es nicht.

Warnsignale nicht erkannt

Die „Zuckerkrankheit“ kündigt sich durch Vorboten wie Abgeschlagenheit an, doch erkennen viele Betroffene die Warnsignale nicht. Sie werten die Symptome meist als allgemeines Unwohlsein und beachtet sie nicht weiter. „Wer die ersten Anzeichen für Diabetes aber ernst nimmt und rechtzeitig mit gesunder Ernährung und ausreichend Sport gegensteuert, kann eine Therapie mit Medikamenten zumindest als Typ-2-Diabetiker hinauszögern und den Therapieverlauf positiv beeinflussen“, erklärt Dr. med. Philipp Kneppe, MVZ-Praxis im Ambulanten Zentrum Albertus Magnus, gegenüber unserem Onlinemagazin doqtor. Seine Praxis beteiligt sich am Tag der offenen Tür den Zentrums am Samstag.

Autoimmunreaktion zerstört insulinproduzierende Zellen

Typ-1-Diabetes, früher auch als jugendlicher oder juveniler Diabetes bezeichnet, ist eine Autoimmunerkrankung. Bestimmte weiße Blutkörperchen, die T-Lymphozyten, richten sich speziell gegen die insulinproduzierenden Beta-Zellen in der Bauchspeicheldrüse. Sie sehen diese als fremd an und bekämpfen sie. Der Körper braucht das Insulin jedoch dringend, um den Zucker in die Zellen aufnehmen zu können. Mangelt es an Insulin, bleiben die Zuckermoleküle aus der Zelle ausgesperrt und reichern sich deshalb im Blut an.  Fatal: Der Körper bemerkt den Insulinmangel erst, wenn die meistern der Insulin produzierenden Beta-Zellen zerstört sind. Und das kann – je nach Verlauf – mehrere Jahre dauern. „Die Symptome wie quälender Durst, vermehrtes Wasserlassen und Abgeschlagenheit äußern sich dann beim Erkrankten akut und heftig“, sagt Dr. med. Heinrich Franz, Chefarzt der Klinik. Genetische Faktoren, Umweltfaktoren wie Virusinfektionen und Reaktionen des Immunsystems bedingen den Typ-1-Diabetes, von dem etwa fünf bis zehn Prozent aller Zuckerkranken betroffen sind.

Nachlassende Sensibilität gegenüber Insulin

Reagieren die Körperzellen zunehmend unempfindlich auf Insulin (Insulinresistenz), so wird von Typ-2-Diabetes gesprochen. Dieser wurde früher auch als Altersdiabetes bezeichnet. Anfangs vermag der Körper dieses Defizit noch durch eine erhöhte Insulinproduktion auszugleichen und den Blutzuckerspiegel so im Normbereich zuhalten. Nach einiger Zeit nimmt die Insulinproduktion in der Bauchspeicheldrüse jedoch immer weiter ab – das körpereigene Insulin ist irgendwann nicht mehr ausreichend vorhanden. Auch bei diesem Diabetes-Typ tauchen die Symptome schleichend auf, was die Erkrankung besonders gefährlich macht. Die Betroffene gehen mit leichten Symptomen meist nicht zum Arzt und es vergehen mitunter bis zu zehn Jahre bis zur Diagnose „Zucker“. „Oft wird die Krankheit erst nach einem Herzinfarkt entdeckt, die eine der häufigen und gefürchteten Folgen des Typ-2-Diabetes ist“, sagt Dr. med. Heinrich Franz. Auch spielen bei Typ-2-Diabetes genetische Anlagen eine Rolle, doch sind Übergewicht und mangelnde Bewegung die Auslöser Nummer 1. Diabetiker diesen Typs machen den Großteil der Erkrankten aus – circa 90 Prozent leiden an dieser Form der Zuckerkrankheit.

Warnisignale erkennen

Vermehrtes Wasserlassen und stark gesteigertes Durstgefühl sind die ersten Warnsignale des Körpers. Sie stehen in engem Zusammenhang: Da die Körperzellen den Zucker aus der Nahrung unzureichend oder überhaupt nicht mehr aufnehmen können, verbleibt er im Blut. Um diesen Überschuss loszuwerden, produziert die Niere vermehrt Harn.

„Betroffene müssen bis zu sechs Liter Wasser am Tag lassen. Aufgrund von Infektionen ist das Harnlassen oft auch noch mit einem schmerzhaften Brennen verbunden“, weiß Diabetologe Dr. Heinrich Franz. Der vermehrte Harndrang bedingt wiederum ein quälendes Durstgefühl, da der Körper einen extremen Wasserverlust erleidet. Da sie dabei viel trinken, denken Erkrankte oft, es sei völlig normal, so oft auf die Toilette zu müssen. In Wirklichkeit ist es aber genau andersherum: „Sie haben so einen großen Durst, weil sie extrem viel Wasser verlieren“, erklärt der Chefarzt.

Hohe Anfälligkeit für Infektionen

Eine Konsequenz des vermehrten Wasserlassens ist, dass der Körper langsam austrocknet. Dieses macht sich beispielsweise durch trockene, rissige und schuppige Haut sowie Juckreiz bemerkbar. Zudem reduziert sich die Fließgeschwindigkeit des Bluts – es kommt zu Durchblutungsstörungen. Diese Störungen verbunden mit hohem Zuckergehalt im Blut sowie trockener Haut und Schleimhaut können wiederum dazu führen, dass sich leicht Infektionen bilden. Auch schlecht heilende Wunden können ein Anzeichen für Diabetes sein. „Der hohe Zuckergehalt im Blut bewirkt, dass sich Bakterien in der Wunde besonders wohlfühlen – das birgt eine große Infektionsgefahr“, sagt Dr. med. Heinrich Franz. Und schließlich können schlecht heilende Wunden an den Beinen in Folge zum diabetischen Fußsyndrom und sogar zur Amputation führen.

Doch zeigen sich auch andere Infektionen wie Magen-Darm-, Harnwegs- und grippale Infekte sowie Zahnfleischentzündungen bei Menschen mit „Zucker“ häufig. Denn auch das Immunsystem ist durch die schlechte Durchblutung geschwächt. Denn die Abwehrzellen des Immunsystems können nicht schnell genug an die infizierte Stelle im Körper transportiert werden.

„Alternative Energien“

Oftmals kommt es bei Diabetikern zu einem massiven Gewichtsverlust, obwohl sie nicht weniger gegessen oder mehr Sport getrieben haben. Ursache dafür ist, dass die Körperzellen ohne Insulin keinen Zucker aufnehmen und verbrennen können, um die Energie zu produzieren, die der Mensch zum Leben braucht. Deshalb sucht der Körper nach alternativen Energiequellen; er beginnt damit, Fett, Eiweiß und Muskelmasse zu verbrennen.

„Er greift auf seine Fettreserven zurück und zerteilt sie zur Energiegewinnung bis zur Stufe der Ketonkörper, die er nicht weiter abbauen kann“, erklärt Dr. med. Heinrich Franz. Durch den Ketonen-Überschuss kommt es zu einer Übersäuerung des Bluts und schließlich des gesamten Körpers. Diese Übersäuerung macht sich nach außen zum Beispiel durch einen säuerlichen Mundgeruch bemerkbar, der an Nagellackentferner (Aceton) erinnert. Auch der Urin kann streng riechen. Auch die Symptome Übelkeit und Erbrechen sind eine Folge der Übersäuerung des Körpers.

Der ungenutzte Zucker zirkuliert dann im Blut – in den Zellen kommt es dadurch nach und nach zu einer immer größeren Energiearmut. Das Resultat: Die Betroffenen fühlen sich schlapp, abgeschlagen und ausgebrannt.

Rasches Handeln erforderlich

Sobald sich erste Symptome wie plötzliches Durstgefühl, übermäßiger Harndrang, Abgeschlagenheit und scheinbar grundlose Gewichtsabnahme zeigen, sollte der Betroffene sicherheitshalber einen Arzt aufsuchen und sich auf Diabetes testen lassen. Der Mediziner wird dann zunächst den Nüchternzucker im Blut des Patienten messen. Ist dieser beim ersten Test erhöht, wird der Arzt zusätzlich noch einen Zuckerbelastungstest durchführen, auch oraler Glukosetoleranz-Test genannt. Dabei muss der Patient auf nüchternen Magen in etwa fünf Minuten eine Zuckerlösung trinken. Kurz davor sowie eine und zwei Stunden danach misst der Arzt den Blutzucker des Patienten und bewertet ihn. Stellt der Arzt durch die Untersuchung tatsächlich einen Diabetes fest, muss der Patient zwar zukünftig mit gewissen Einschränkungen rechnen.

Oberarzt Dr. Philipp Kneppe: „Ein einzelner Blutzuckerwert hat nur wenig Aussagekraft. Wichtiger ist es den Blutzuckerverlauf über einen ganzen Tag hinweg, in einem so genannten Blutzuckertagesprofil, zu bestimmen.“ Daher empfiehlt der Diabetologe, neben den Nüchternmessungen auch eine Messung leicht zeitversetzt nach einer Mahlzeit durchzuführen.

„Das Ende eines ausgefüllten Lebens bedeutet die Diagnose jedoch nicht“, sagt der Chefarzt Dr. med. Heinrich Franz. „Wird der Diabetes rechtzeitig erkannt und richtig behandelt und richtet sich der Erkrankte im Alltag nach gewissen Regeln, lassen sich lebensbedrohliche Folgeschäden wie Nierenversagen, Herzinfarkt oder Schlaganfall effektiv verhindern.

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